Die Betriebssoftware eines Stahlwerks gliedert sich in mehrere Ebenen, die gewöhnlich als “Level1”, “Level 2” und “Level 3” bezeichnet werden.
Der “Level 1” besteht aus den Automaten oder SPS, die die Anlage auf unterster Ebene steuern.
Bei dem “Level 2” handelt es sich um Software, die den Produktionsprozess verfolgt, dazu mit allen Automaten kommuniziert, alle Produktionsinformationen sammelt und basierend auf diesen Informationen die Durchführung einer Schmelze steuert. Schon bei der Planung der Produktion bestellt der Level 2 die notwenigen Rohstoffe beim Schrottplatz, errechnet aus der angeforderten Stahlgüte Vorgaben zu Dauer, Temperatursteuerung und Zuschlagsstoffen für Schmelze und steuert die Materialzugaben. Während der Schmelze kommuniziert der Level 2 mit dem Schrottplatz, dem Labor, der Qualitätssicherung. Er informiert die Operateure über alle Details des produktionsverlaufs. Nach Abschluss der Schmelze werden die Stahlmenge, die erzeugte Güte und Verbrauchswerte an den Level 3 zur kommerziellen Behandlung geliefert und an die nachgelagerte Gussstation geliefert.
Der Level 3 ist die kommerzielle Steuerungsebenen. Hier werden Bestellungen zu Schmelzenreihen zusammengestellt, um eine möglichst kontinuierliche Auslastung der Gesamtanlage zu erhalten. Diese Schmelzenreihen gehen dann als Bestellungen an den Level 2, der sie zum Abruf und zur Abarbeitung bereit hält. Nach Abschluss der Abarbeitung der Bestellungen durch den Level 2 verwertet der Level 3 die gemeldeten Produktionsdaten und Ergebnisse für die kommerzielle Behandlung: Lieferungen zusammenstellen, Rechnungswesen, langfristige Datenhaltung zur Qualitätskontrolle etc
Rosin war schon fast zehn Jahre Lieferant für Level 2 Systeme, mit weltweiten Installation, als über eine große deutsche Industrieanlagenbaufirma der Auftrag für die Aktualisierung einer Anlage in Spanien an uns vergeben wurden.
Dieser Auftrag war ein guter Anlass, eine komplette Neuentwicklung unserer Level 2-Software in Angriff zu nehmen, um folgende Ziele zu erreichen: Das neue Systeme sollte multilingual, Hardware- und Betriebssystem-unabhängig, datenbankunabhängig, und zukunftssicher sein.
Durch moderne Systemware-Methoden wie Objektorientierung, Java aus Entwicklungssprache, und Oracle als Datenbank wurden diese Kriterien erreicht.
Als Hardware-Plattform wurden Alpha-Server unter OpenVMS gewählt, zu dieser Zeit der Standard in Automation. Die Benutzeroberfläche wurde in englisch und spanisch bereitgestellt, aber schon im ersten Release war sie leicht um weitere Sprachen erweiterbar, auch in arabisch und chinesisch. Die Entwicklung erfolgte weitgehend unter Windows und Unix, die Portierung auf OpenVMS erfolgte fortlaufend während de Erstellung, sodass die aktuelle Entwicklungsstand jederzeit auf allen drei Betriebssystemen lauffähig war. Parallel liefen Tests mit Opensource-Datenbanken wie Postgres und Mysql.
2003 wurde der Level 2 beim Kunden installiert, in Betrieb gesetzt und übergeben.
Nach fast neunzehn Jahren meldet sich der Kunde zu unserer Überraschung im Herbst 2021 mit einem Problem. Das große Rätselraten, was denn nach so vielen Betriebsjahren nun Sorgen bereiten könnte, löste sich auf überraschende Weise: Die IT-Mannschaft, die sich mit dem System auskennt, geht in Rente, das Systems selbst hat sich aber als so stabil erwiesen, dass man es gerne weiterbetreiben möchte. Die Lösung ist die Übernahme der Betreuung durch uns – dem Kunden kommt dabei zu Gute, dass das System inzwischen für andere Einsätze deutlich weiterentwickelt wurde, und der Kunde nunmehr auch von den Neuerungen profitieren kann.
Inzwischen sind die Servercomputer auf lokale Umgebungen in Linz und Ronda geclont, erste Probleme durch die Änderungen, die der Kunden in den letzten Jahren eingearbeitet hatte, gelöst, und ein Plan für die nächsten Upgrades erstellt.
Und es macht Spass, wieder mit OpenVMS zu arbeiten
Foto und Text: Dieter Roßbach